Arbeitgeberbewertungsportale nützen uns
Der Gang zum Arzt oder ins Restaurant wird dank Yelp oder Google-Bewertungen zum Prüfverfahren und ich setze Haken oder Kreuze auf meine Erwartungsliste. Am Ende fälle ich ein Urteil: 5 Sterne für „Alles super!“, 1 Stern für „Katastrophe“ – 0 Sterne können nicht vergeben werden, wie gnädig! Aber seien wir ehrlich, selbst 3 Sterne sind nur Mittelmaß und niemand gibt sich mit dem Mittelmaß zufrieden.
Auch in der Arbeitswelt ist der Bewertungs-Drang angekommen. Arbeitgeberbewertungsportale wie Glassdoor, MeinChef.de und Kununu sind fest verankerte Bestandteile der Candidate Experience. Sie bieten Raum für (Ex-)Mitarbeitende und Bewerber*innen, ihre gesammelten Eindrücke zu einem Unternehmen öffentlich zu teilen.
Natürlich unterliegt auch TÜV Rheinland diesen Bewertungen. Und das ist auch gut so, denn aus diesen Beiträgen gewinnen wir wichtige Informationen. Die Anonymität des Internets ermutigt Kritiker, offen und ehrlich über Erfahrungen zu sprechen und Feedback zu geben. Diese konstruktive Kritik kann ein großer Nutzen für TÜV Rheinland sein, beispielsweise um Missstände aufzudecken und Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten. Positive Bewertungen eignen sich, um Benefits, die das eigene Unternehmen bietet, den Bewerber*innen bewusst vor Augen zu führen. Wie die super-high-end Kaffeemaschine, die mit ihrem Angebot Starbucks Konkurrenz machen könnte. Das liest und hört man gerne.
Kununu & Co. – Fluch und Segen
Klar ist – negative Bewertungen schmerzen und führen im schlimmsten Fall zu Imageschäden. Oder schlimmer noch, zu einem Shitstorm. Umso wichtiger ist es, auf diese Bewertungen überlegt und konstruktiv zu reagieren. Nicht nur aus Unternehmenssicht sind Kommentare wichtig. Für potenzielle Bewerber*innen zählen Arbeitgeberbewertungsportale weiterhin zu den wichtigsten Quellen neben der Unternehmenshomepage, um Informationen über das Unternehmen, die Kultur, die Mitarbeitenden und die Werte zu erfahren. Kununu und Co. können die Unternehmenswahrnehmung stark beeinflussen und zu Bewerbungsmotivation führen oder diese gar verhindern.
Spiegel der Candidate Journey
Für mich als Recruiterin sind vor allem bewerberseitige Bewertungen wichtig. Denn sie spiegeln die Erfahrungen während der Candidate Journey wider. Ich freue mich, wenn ich Bewertungen wie „Beste Betreuung“ oder „Angenehmes, informatives Gespräch“ lese. Stammt dieser Kommentar von einem Verfasser, der eine Absage erhielt, freut es mich besonders. Es zeigt, dass ein gutes Gespräch und eine Wohlfühlatmosphäre auch dann möglich und wichtig sind, wenn Unternehmen und Bewerber*in nicht matchen.
Lese ich negative Kommentare in Bezug auf Bewerbungsprozesse, betrachte ich diese möglichst objektiv und nicht emotional. Das ist nicht immer leicht, denn negative Erfahrungen beschäftigen uns Recruiter. Schließlich wollen wir unserer Funktion als Gastgeber gerecht werden. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass alle Bewerber*innen sich willkommen fühlen. Daher ist es essenziell, zu verstehen, was zur Unzufriedenheit führte, um die richtigen Anknüpfungspunkte zu finden und daraus Maßnahmen zu entwickeln.
Negativer Bewerbungsprozess – ein Praxisbeispiel
Häufig kommt es vor, dass Beiträge leider wenig informationsgewinnende Aussagekraft haben. Aus kurzen Kommentaren wie „Keine Wertschätzung gegenüber Bewerbern“ schlussfolgere ich, dass der Bewerbungsprozess nicht nach Vorstellungen des Kandidaten oder der Kandidatin abgelaufen ist. Aber was lief falsch? Wieso wurden die Erwartungen nicht erfüllt? Wurden Fragen gestellt, die nicht zum Werdegang passten? Beschäftigte sich einer der Teilnehmenden lieber mit seinem Smartphone, anstatt dem Gespräch beizuwohnen? Was ist vorgefallen oder was fehlte, sodass keine Wertschätzung erlebt wurde?
Solche Informationen sind entscheidend, werden allerdings in den meisten Beiträgen nicht benannt. Es ist also schwer, die richtigen Maßnahmen abzuleiten. Wir beginnen dann zu reflektieren, wie der Ablauf war, können allerdings nur spekulieren, woran es gelegen hat. Manchmal sehen wir auch den Wald vor lauter Bäumen nicht – Dinge, die für mich selbstverständlich sind oder nicht als störend empfunden werden, erleben andere als Missstand. Ein einfaches Beispiel:
Ich kenne den Fachbereich und die Führungskräfte. Ich kenne also auch den Humor der Einzelnen und kann erkennen, wann eine Äußerung humorvoll gemeint ist. Wer sich neu bewirbt, kennt die Führungskräfte nicht und kann daher oft nicht zwischen Humor und ernstgemeinter Aussage unterscheiden. Dies kann dazu führen, dass eine ironische Äußerung seitens der Führungskraft negativ oder gar als Affront empfunden wird. Folglich wird keine Wertschätzung erlebt und ein negativer Beitrag auf einem der zahlreichen Arbeitgeberbewertungsportale verfasst.
Den Sinn von Arbeitgeberbewertungsportalen verfehlt
Denken wir nun an den interessierten, potenziellen Bewerber zurück, der sich über Kununu und Co. informiert, sind diese inhaltsleeren Beiträge fatal. Beinhaltet ein Nachrichtenbeitrag lediglich ein „Finger weg!“ als Message, wissen Interessierte nicht, wieso sie die „Finger weg“ lassen sollten. Die Leser und Leserinnen sollten durch konkrete Beispiele selber entscheiden können, ob das gewählte Unternehmen und die in den Beiträgen benannten Aspekte ihren Erwartungen entsprechen oder ob sie die bemängelten Punkte nicht dulden können. Durch wenig inhaltsvolle Äußerungen ist dieses Abwägen leider nicht möglich. Im schlimmsten Fall wird verhindert, dass sich ein*e Interessent*in bewirbt und somit eigene Erfahrungen sammelt.
Das sollte auf keinen Fall der Sinn von Arbeitgeberbewertungsportalen sein.
Dialog über Unternehmens-Bewertungen erwünscht
Kununu bietet die Möglichkeit für Arbeitgeber, gezielt auf einzelne Kommentare zu antworten. Diese Funktion ist besonders wertvoll, wenn inhaltsleere Kommentare verfasst wurden.
Mein Kollege Andy Fuchs versucht mit Hilfe dieser Kommentarfunktion, in den Dialog mit Verfassern eines negativen Beitrags zu treten. Die Betonung liegt auf „versucht“, denn obwohl Andy den Verfassern seine Email-Adresse (und nicht einen Mail-Verteiler) nennt, meldete sich bis dato niemand zurück. Das Interesse, näher zu erläutern, wieso jemand davon ausgeht, der „Lebenslauf wurde nicht richtig gelesen“, ist leider nicht vorhanden. Das ist sehr schade, denn unser Angebot, über Erfahrungen während des Bewerbungsprozesses zu sprechen, ist keine Floskel. Wir meinen das ernst und möchten evaluieren, wieso es zu dieser Erfahrung gekommen ist. Nur so können wir unsere Prozesse, wie sie in der Realität erlebt werden, analysieren und verbessern.
Daher meine Bitte: Geht mit uns in den Austausch! Sprecht mit uns über eure Erlebnisse!
Es spricht auch nichts dagegen, am Ende eines Vorstellungsgesprächs den Kontakt per Telefon oder Mail mit eurem zuständigen Recruiter zu suchen, um über eure Eindrücke – egal, ob positiv oder negativ – zu sprechen. Dafür sind wir da und nehmen eure Anmerkungen dankend an.
Wir möchten jeden und jede willkommen heißen und mit Wertschätzung begegnen, sodass ihr die Möglichkeit habt, uns und TÜV Rheinland kennenzulernen. Wir möchten unsere Kandidaten und Kandidatinnen auf Augenhöhe kennenlernen und mehr über den Menschen hinter der Bewerbung erfahren.
Autorin des Beitrags

Franziska Scharpel
Recruiterin
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